Die SPD Berkenthin gegen den Bau einer Hähnchenmastanlage

Die SPD-Fraktion, aber auch die Gemeindevertretung insgesamt lehnen dieses Projekt nach intensiver Beratung mit großer Mehrheit ab. Dabei legen wir Wert  auf die Feststellung, dass die  SPD die Bauern in ihrer Forderung nach fairen Verbraucherpreisen und dem  Bemühen um eine umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft unterstützt. Sie hält aber die beschriebene Form der industriellen Tierhaltung für einen Irrweg, der nicht mehr in die Zeit passt. Wir fordern zugleich mehr Mitentscheidungsrechte der Gemeinde bei derartigen Projekten, die alle Bürger direkt betreffen.

Das Vorhaben

                Die geplante Anlage in Kählstorf soll für 39.900 Hähnchen ausgelegt werden, die in sogenannter „Langmast“ zur Schlachtreife gebracht werden. Was eine sogenannte „Langmast“ bedeutet, lässt sich in der einschlägigen Literatur nachlesen: Durch die Gabe von Hochleistungsfutter werde die Eintagsküken, die beim Schlüpfen ca. 40 bis 50 g wiegen, innerhalb weniger Wochen bis zu einem Gewicht von 2,5 kg und mehr gemästet. D.h. die Tiere haben dann das 60-fache ihres Startgewichts erreicht und werden geschlachtet. Durch die hohe Besatzdichte bleibt den Hähnchen während ihres kurzen Lebens im Schnitt ein Lebensraum von der Größe eines DIN A5-Blattes. Die qualvolle Enge bleibt, auch wenn nach ca. vier Wochen Tiere aussortiert werden, um mehr „Platz zu schaffen“. Da die Tiere aufgrund der Züchtung vor allem viel Brustfleisch entwickeln, würden sie unter dieser schnellen Mästung auch nicht länger als 42 Tage durchhalten; sie könnten sich aufgrund des starken Ungleichgewichts nach vorne nicht mehr halten und würden umkippen. Nach diesen 42 Tagen setzt dann in dem Betrieb ein neuer Durchgang ein. Ein durchschnittlicher Mastbetrieb kommt damit unter Einrechnung der erforderlichen Reinigungszeiten auf etwa sieben Durchgänge im Jahr, so dass ein Stall der hier geplanten Größe an die 280.000 Tiere jährlich in die Schlachtung liefern könnte. Dabei ist jedoch eine nicht unerhebliche Zahl von Tieren abzuziehen, die aufgrund der extremen Haltungsbedingungen gar nicht das Schlachtalter erreichen.

Kompliziertes Baurecht

                Die Gemeindevertretung lehnt dieses Projekt mit großer Mehrheit ab. Allerdings hat die GV bei einem solchen landwirtschaftlichen Bauvorhaben im Außenbereich der Ortschaft nur ein bedingtes Mitspracherecht. Genehmigungsbehörde ist letztendlich das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume LLUR. Das gemeindliche Einvernehmen, d.h. die Zustimmung der GV ist zwar Voraussetzung für die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung, dieses Einvernehmen darf aber nur aus rein baurechtlich begründbaren Bedenken (Abstandwahrung, Emissionsschutz, Grundwasserschutz etc.) versagt werden. Grundsätzliche politische oder gar ethische Überlegungen sieht das Genehmigungsverfahren an dieser Stelle nicht vor. Die GV Berkenthin hat zwar wiederholt unter Verweis auf entsprechende baurechtliche Einwände ihr Einvernehmen verweigert inzwischen hat aber der Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg die Entscheidung an sich gezogen und das gemeindliche Einvernehmen ersetzt. Damit stünde dem Bauvorhaben grundsätzlich nichts mehr im Wege. Daraufhin hat nun die GV in ihrer Sitzung am 20.12.2021 beschlossen, gegen diesen  Verwaltungsakt des Kreises Widerspruch einzulegen.

Die SPD sagt „Nein“  zu dieser industriellen Form der Tierhaltung

Tierhaltung und Schlachtung

                    Die drangvolle Enge führt zu Dauerstress: Ein in dieser Form gehaltenes Masthähnchen lebt höchstens 42 Tage, anfangs  zusammen mit bis zu 23 Artgenossen auf einem Quadratmeter Stallfläche. Ein artgerechtes Verhalten ist unter diesen Umständen nicht möglich. Hochleistungsmastrassen sind auf eine überproportionale Brustzunahme gezüchtet und wachsen schneller, als ihr Knochengerüst bewältigen kann. Am Ende der Mastperiode können sie kaum noch stehen. Da nur bei Aufstallung eingestreut wird, sitzen die Tiere am Ende der Mastperiode in ihren eigenen Exkrementen. Die dadurch hohe Ammoniakbelastung reizt Augen und Atemwege. Die Tiere werden krankheitsanfällig und überleben nur mit Antibiotikaeinsatz.

Ein eigenes abschreckendes Kapitel, auf das hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden kann, stellen der Transport zur Schlachtung und die maschinelle Tötung der Tiere dar. Erschreckende Berichte darüber finden sich beliebig in den gängigen Medien.

Resistenzbildung durch ständig erforderlichen Antibiotikaeinsatz als Risiko für den Menschen

              Durchschnittlich wird ein Masthähnchen in seinen 28 bis 42 Lebenstagen mit bis zu acht verschiedenen Wirkstoffen behandelt. Diese Routine beim Antibiotikaeinsatz im Hühnerstall begünstigt Keime, die resistent gegen Antibiotika sind. Mit dem Fleisch und der Abluft aus Ställen gelangen die resistenten Keime in die Umwelt und zur Bevölkerung. Antibiotika werden nicht nur zur Bekämpfung akuter Erkrankungen oder deren Vorbeugung, sondern auch gezielt in geringer Dosierung als Masthilfsmittel eingesetzt. In dieser Dosierung werden die Keime in der Regel nicht abgetötet, sondern es kommt zu einer für den Men-schen gefährlichen Resistenzbildung. Laut einer Studie des Ministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2015 sterben in Europa jährlich mindestens 10.000 bis 15.000 Menschen durch multiresistente Keime. In jedem der in der Studie untersuchten 34 konventionellen Hähnchenmast-Betriebe wurden resistente Keime gefunden.

Weitere Gefahren für Mensch und Umwelt durch Emissionen und Abfälle

                Es ist nicht nur von einer nicht unerheblichen Geruchsbelästigung auszugehen. Es könnte eine Gefahr durch möglicherweise in die Luft austretende Antibiotika-resistente Keime, Pilze und Bakterien für die Bevölkerung entstehen, die a. durch den Wind verteilt werden. Zudem ist eine  weitere Belastung des Bodens und des Grundwassers durch Nitrate, Desinfektionsmittel, Keime und Antibiotika unvermeidlich. Nach einem Mastdurchgang von ca. 7 Wochen wird der Mist entfernt und mit Wasser nachgereinigt, dem Desinfektionsmittel zugesetzt wird. Der Mist ist antibiotikabelastet und enthält u.U. gefährliche Keime, die über den Ackerboden wieder in die Nahrungskette gelangen. Zugleich käme es zu einem erhöhten Nitrateintrag in die Böden, was zudem zu einer weiteren Belastung des Grundwassers führt.     

Verändertes Verbraucherbewusstsein          

Derweil steigt die Nachfrage nach Fleisch aus artgerechter Tierhaltung laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) deutlich, denn das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung entwickelt sich beständig weiter. Als erste große Lebensmittelkette reagierte vor  wenigen Monaten ALDI auf die veränderte Verbraucherhaltung und wird sein Frischfleisch-Sortiment schrittweise bis 2030 konsequent auf die höheren Tierwohl-Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Hier haben die Tiere Zugang zu Freilandbereichen und es steht ihnen grundsätzlich mehr Platz zur Verfügung. Andere Handelsketten folgten inzwischen diesem Beispiel, so dass bereits heute absehbar ist, dass es in wenigen Jahren keinen Markt für das in beschriebener Weise erzeugte Hähnchenfleisch mehr geben wird.